Spiel ohne klare Linie
TUSEM Essen vs. DJK Rimpar Wölfe 23:21 (11:9)
Ein Freitagsspieltag war schon immer etwas anders, wenn es für die Wölfe auf Deutschlandreise ging, denn nicht wenige der Akteure müssen regelmäßig noch bis zur Mittagsstunde ihrem Arbeitgeber zur Verfügung stehen. Da steht dann oft nur ein begrenztes Zeitfenster für die Anfahrt zur Verfügung. Und wenn dann eine winterliche Wetterlage und die im Ruhrgebiet zum Wochenabschluss übliche Verkehrslage hinzukommen, kann es schon einmal sein, dass es gute sieben Stunden braucht, um die 370 km lange Strecke von Rimpar nach Essen zu bewältigen. So geschehen auch an diesem Freitag, als man erst eine halbe Stunde vor Spielbeginn in der Hallo-Arena eintraf, sich rasch umzog und aufwärmte, um sich dann mit einer viertelstündigen Verspätung in die Schlacht zu werfen. Alles andere als ideale Bedingungen gegen einen Gegner, mit dem man sich stets heiße, emotional angereicherte Auseinandersetzungen zu liefern pflegt.
So schienen die Unterfranken nach dem Anpfiff der beiden Unparteiischen aus Berlin eine gewisse Zeit zu benötigen, um auf Betriebstemperatur zu kommen, denn erst nach mehr als sechs Minuten gelang Steffen Kaufmann der erste Treffer für die Gäste. Doch auch den Gastgebern ging es nicht besser, obwohl sie ausreichend Zeit hatten sich vorzubereiten, denn die Mannschaft von dem zu Saisonbeginn aus Berlin nach Essen gewechselten Jaron Siewert konnte erst nach knapp acht Minuten das erste Mal einnetzen. Betriebstemperatur hatten zu diesem Zeitpunkt nur die Torhüter auf beiden Seiten, die mit überragenden Paraden schon einmal andeuteten, wo es für die Akteure an diesem Tag besonders schwer werden würde. Insbesondere Max Brustmann zeigte wieder einmal eine Klasseleistung und sorgte mit einem Spitzenwert von 23 Paraden und über 51% gehaltener Bälle dafür, dass sein Team im Spiel blieb, auch wenn der zwischenzeitliche Stand von 8:3 für den Gastgeber Schlimmes für die Wölfe anzudrohen schien. Denn eines lag bei jenen an diesem Tag wirklich im Argen: Die Torausbeute, besonders bei freien Würfen vom ersten Kreis, war absolut nicht zweitligareif. Bei gerade einmal 33% lag die Ausbeute der Kreisspieler, einen gleichen Wert erreichte der Rückraum, damit kann man normalerweise kein Spiel auf diesem Niveau gewinnen. Zudem gelang es den Essenern besser als ihren Gästen, das Spiel breit zu machen, so dass immer wieder die Außenspieler Kasler, Wöss und Beyer zum Wurf kamen, die zwar auch des Öfteren an Brustmann scheiterten, aber insgesamt effektiver wirkten. So war der Halbzeitstand von 11:9 für den Gastgeber verdienter Lohn für die zu diesem Zeitpunkt bessere Mannschaft.
Das änderte sich auch nach der Halbzeit bis zur 45. Minute kaum, doch dann besannen sich die Wölfe auf ihre kämpferischen Fähigkeiten. Tor um Tor arbeiteten sie sich heran, und als acht Minuten vor dem Ende die Unterfranken plötzlich zum 18:18 ausgleichen konnten, witterte die Mannschaft von Matthias Obinger zurecht Morgenluft, denn längst hatte sich deren Deckung nicht nur stabilisiert, sondern zeigte auch den notwendigen Biss, um das Ruder herumzureißen. Ja, die Essener wirkten jetzt spielerisch sogar etwas hilflos und verlegten sich mehr darauf, gegnerische Fouls zu ziehen, indem man immer wieder in die Deckung hineinrannte, eine Rechnung die voll aufging, denn die beiden Unparteiischen schmissen nun mit Zwei-Minuten-Strafen gegen die Wölfe auch bei Allerweltfouls nur so um sich. Zwei der letzten zehn Minuten traf man sich noch zu Sechst in der Rimparer Abwehr, ansonsten spielte man in Unterzahl. Trotzdem gingen die Wölfe in der 54. Minute sogar in Führung. Doch wieder zogen die Schiedsrichter die Notbremse, als sie ein Stürmerfoul gegen Steffen Kaufmann beim erweiterten Gegenstoß pfiffen, obwohl klar erkennbar war, dass Dennis Szczesny im Kampf um den Ball noch in der Bewegung war, um den Laufweg abzuschneiden. Eine Unsitte, diese Pfiffe gegen das angreifende Team, denn der in Vorwärtsbewegung befindliche Spieler, der sich darauf konzentriert, einen von hinten in den Laufweg gepassten Ball zu fangen, kann den seitlich oder frontal heranstürmenden gegnerischen Spieler unmöglich rechtzeitig sehen, um ihm auszuweichen. Ein Torhüter würde im Übrigen für die gleiche Aktion bei Berührung sofort disqualifiziert werden. Diese Regel wurde einmal eingeführt, um die hohe Gefährdung für den angreifenden Spieler beim Gegenstoßspiel zu reduzieren, ein Aspekt, der offensichtlich mehr und mehr in den Hintergrund tritt.
Überhaupt die Unparteiischen! Die beiden jungen Männer aus Berlin, gesetzt im Drittligakader des DHB, stehen eigenen Worten zufolge dafür, ihre Entscheidungen unabhängig von Spielstand oder Spielminute ihrer Linie entsprechend zu treffen. Nur fehlte ihnen in diesem Spiel jegliche erkennbare Linie, so dass die meisten Entscheidungen sowohl gegen Essen in der Anfangsphase, als auch gegen Rimpar in der zweiten Hälfte ziemlich orientierungslos wirkten. Heftige Reaktionen von den 1600 Zuschauern oder von den Bänken waren die Folge, ein Umstand, der die beiden zunehmend unsicherer werden ließ. Ohne jede Souveränität zeigten sie sich beispielsweise in der ersten Halbzeit, als ein Wurf von Sebastian Kraus auf das leere Tor von einem Gegenspieler abgefälscht wurde und so sein Ziel knapp verfehlte. Statt den Protest der Rimparer zu nutzen und den betroffenen Spieler zu befragen, ob er tatsächlich den Ball abgefälscht hat, zogen sie es vor, dem die Ballberührung anzeigenden Rimparer Trainer die gelbe Karte zu zeigen. Noch mehr von oben herab geht es nicht, etwas, dass die beiden eigenen Bekundungen zufolge eigentlich stets vermeiden wollten. Wie das anders geht, zeigte Steffen Kaufmann im ersten Heimspiel der Wölfe gegen den ASV Hamm. Dort wurde ihm in den Schlussminuten ein Tor zugesprochen, welches irregulär zustande gekommen war. Auf Proteste der Westfalen hin befragten die Schiedsrichter Steffen Kaufmann. Der gab den Fehler sportlich fair zu, und sein Team verlor am Ende mit einem Tor. Nur dem, der fragt, kann geholfen werden.
Bleibt festzustellen, dass Rimpar die Partie gegen Essen am Ende verlor, ein Umstand, den man selbst am meisten zu verantworten hat. Mit 21 Toren kann man in der Fremde kaum ein Spiel gewinnen. Doch wenigstens hatte man wieder einmal bis zum Umfallen gekämpft. Und alles kann man schließlich nicht selbst beeinflussen. So musste die beim Stand von 22:21 von Obinger angeordnete Manndeckung ins Leere laufen, weil die Schiedsrichter die Essener die letzten 17 Sekunden großräumig herunterspielen ließen, gleichwohl deren Spiel zurück in Richtung des eigenen Kreis von kritischeren Unparteiischen auch schon mal als Zeitspiel hätte interpretiert werden können. So blieb es dem Toptorschützen des Tages, Noah Beyer, vorbehalten, in der Schlusssekunde den 23:21-Endstand zu markieren.
Brustmann, Wieser (n.e.), Kraus, S. Schmitt 1, Schömig 3, Böhm 1, Gempp 1, Schäffer 1, P. Schmidt 5/3, Kaufmann 3, Meyer, Brielmeier 2, Herth 4